This text is from 2004 or older. And yes, it is only available in German. So far, all of my fictional writing still is in my native language. If you know somebody who would want to translate it to English (and is capable of doing so), please let me know.
”Wissenschaftler sollten Frankenstein als Pflichtlektüre lesen.”
– D.F. Jones, Colossus
”Sind wir soweit?” Nebe stand neben mir und sah durch die große Glaswand in das Labor, in dem die Versuchsapparatur aufgebaut worden war. Ich war der für das Experiment zuständige Informatiker, Nebe der leitende Physiker. Die letzten fünf Jahre hatten wir unter strengster Geheimhaltung auf dieser verlorenen Außenwelt an dem Projekt gearbeitet.
Carnivore lag weit ab von allem Linienverkehr und es gab auf dieser Welt nichts, daß irgendjemanden in der Galaxis interessieren könnte. Der Planet hatte zwar eine Atmosphäre, aber keine, die irdisches Leben ermöglichte. Deshalb brauchten wir auch keinen militärischen Schutz, der Neugierige auf die normalen Flugrouten zurücktrieb. Das Militär hätte bezüglich unserer uninteressanten Welt bestenfalls Neugierige angelockt.
Ich warf einen Blick auf die Monitoren. Ein letzter Test lief gerade zu Ende und bestätigte mir, was ich ohnehin schon wußte: Alle Systeme waren einsatzbereit und warteten nur darauf, aktiviert zu werden.
”Wir können loslegen, wenn sie wollen”, sagte ich.
Nebe vergrub die Hände in seinem Kittel. Er versuchte, Ruhe auszustrahlen aber ich wußte, daß er sich vor Aufregung beinahe auffraß. In wenigen Augenblicken würde er wissen, ob er mit seinen Überlegungen recht hatte. Es war sein Projekt. Die Arbeit seines Lebens steckte darin. In den Jahren, während deren er auf die Finanzierung durch die Regierung hatte warten müssen, arbeitete er die theoretischen Grundlagen bis ins letzte Detail aus. Unsere Arbeit hier war danach nichts anderes mehr, als seine Ideen in eine Form zu gießen. Und jetzt gleich sollte es soweit sein. Es würde sich zeigen, ob sein Traum wahr werden oder wie eine Seifenblase zerplatzen würde. Da war seine Aufregung nur allzu verständlich.
”Warten wir noch, bis die Stunde voll wird”, sagte er. ”Dann läßt sich der Zeitverlauf des Experimentes besser nachvollziehen.” Ein fadenscheiniges Argument, wenn man an die Computerüberwachung dachte. Es entsprach wohl eher der Wahrheit, daß er noch etwas Zeit brauchte, um sich auf den großen Moment vorzubereiten.
Um nicht sinnlos die Zeit verstreichen zu lassen, warf ich noch einen Blick auf die Monitoren. Auf einem der Bildschirme war die unbemannte Raumfähre zu erkennen, die uns regelmäßig mit frischen Vorräten und Materiallieferungen versorgte. Sämtliche Berichte wurden mit dieser Fähre zur Regierung entsendet, da wir auf Carnivore über keinerlei Kommunikationssysteme verfügten. Das Funkfeuer hätte uns verraten können, deshalb verzichteten wir auf die Möglichkeit der direkten Verständigung mit den Zentralwelten. Das Versorgungsschiff war startbereit, es wartete nur noch auf unseren Bericht. Wenn gleich alles gut ging, konnte es eine Erfolgsmeldung nach Hause tragen.
Auf einem anderen Bildschirm konnte ich einige der anderen Mitarbeiter erkennen. Es arbeiteten noch zehn weitere Wissenschaftler hier auf Carnivore, jeder von ihnen kam aus einer anderen Fachrichtung. Unser gesamtes Fachwissen war in das Projekt eingeflossen, woran deutlich wird, daß Nebes Theorie absolut interdisziplinär war.
Noch zwei Minuten. Nebe stand immer noch in der selben Position da und starrte wie gebannt auf die Versuchsapparatur. Langsam wurde ich auch nervös, ein Kribbeln in meinem Gesäß zeugte davon. Schließlich war ich auch nicht unbeteiligt an dem Projekt. Die gesamte Software, die hier zum Einsatz kam, war von mir. Und etliche hunderttausend Programmzeilen sollten in wenigen Sekunden erstmals aktiviert werden. Auch ich war gespannt, ob mein Anteil an der Arbeit erwartungsgemäß funktionierte.
Noch vier Sekunden.
Drei.
Zwei.
Eins.
”Aktivieren sie”, sagte Nebe. Also startete ich das System. Voller Erwartung starrte ich auf die Bildschirme, aber nichts tat sich. Sekunden verstrichen. Eine halbe Minute rann dahin.
”Was ist los?” Nebes Stimme klang aufgebracht.
”Ich weiß nicht…” begann ich, doch da kam die erste Meldung auf den Bildschirm.
Initialisierung abgeschlossen.
Subsystem I wird aktiviert.
”Na also”, sagte ich erleichtert. ”Bei der Menge an Daten, die da gerade geschaufelt worden sind, hätten wir eigentlich daran denken müssen, daß das seine Zeit braucht. Bis jetzt scheint jedenfalls alles wie erwartet zu funktionieren.”
”Warten wir lieber ab, ob die anderen Systeme auch starten werden”, sagte Nebe. ”Es geht hier ja nicht nur um die Software.”
Ich steuerte meinen Blick wieder auf die Bildschirme und verfolgte die Ausgaben, die im dreißig-Sekunden-Takt erschienen.
Subsystem I aktiviert.
Subsystem II wird aktiviert.
Subsystem II aktiviert.
Das ganze setzte sich über etliche Minuten so fort, bis schließlich die Meldung erschien:
Alle Subsysteme aktiviert.
Hauptsystem wird aktiviert.
”Jetzt wird es spannend”, brachte ich hervor. Kalte Schauern liefen über meinen Rücken. Gleich…
Hauptsystem aktiviert.
Systemauslastung: 100%.
Speicherauslastung: 100%.
Externe Systeme werden aktiviert.
Sofort begann die Versuchsapparatur zu arbeiten. Auf einem Außenmonitor war zu erkennen, wie einer unserer Ansaugstutzen außerhalb des Laborkomplexes Luft von der Oberfläche einsaugte. Ein paar Dutzend dieser Geräte hatten wir da draußen installiert. Diese Luft war der Rohstoff, den unsere Apparatur umsetzen sollte. Oder, um genauer zu sein: Die Atome der Luft.
Unser System konnte die Atome beliebig umformen, um zum Beispiel aus Sauerstoff Wasserstoff zu machen. Es war in der Lage, aus Luft Rohstoffe zu gewinnen. Mit diesem System konnte man aus Neongas Rohöl gewinnen, wenn man wollte. Die Vorgehensweise war so kompliziert und komplex, daß sie von einem Menschen oder einer Gruppe von Menschen nicht mehr kontrollierbar war. Deshalb hatte ich eine KI-Software entwickelt, die alles voll automatisierte. Normale Kontrollfunktionen hätten den Anforderungen nicht standgehalten.
Das System war sogar darauf programmiert, sich selbständig neue Rechen- und Speichereinheiten zu erzeugen, sollten die alten überlastet sein. Im Hinblick auf die Erweiterungsfähigkeiten waren wir uns einig gewesen, daß diese Funktion implementiert werden mußte.
Wie ich auf einem Bildschirm ablesen konnte, lief dieser Prozeß auch gerade ab, da das System kurz nach dem Start ja schon zu 100 Prozent ausgelastet war. Der Computer durchforstete seine gigantische Datenbank nach den notwendigen Bauplänen, die bis zur Definition der einzelnen Atome reichten, aus denen die Rohstoffe der Einzelteile gebildet wurden.
”Wahnsinn…” flüsterte ich.
”Es funktioniert”, stellte Nebe fest. Eine Träne lief an seiner rechten Wange hinab. ”Sehen sie!”
Ich blickte in das Labor und was ich dort sah war tatsächlich eine neue Recheneinheit mit integriertem Speichermedium. Ein Roboter, der von dem Computer gesteuert wurde, kam aus einer Schleuse gerollt und holte die Einheit aus dem Labor. Ein Mensch konnte ohne einen Schutzanzug nicht dort hinein gehen und auch nur dann, wenn das System abgeschaltet war – sonst konnte es passieren, daß man selbst in seine Atome zerlegt wurde. Deshalb hatten wir diesen Roboter konstruiert, der auch selbständig neue Systemeinheiten an den Computer anschließen konnte. Nach einigen Minuten erschien auf dem Bildschirm eine neue Meldung:
Neues Subsystem installiert und aktiviert.
Systemauslastung: 80%.
Speicherauslastung: 80%.
Optimierungsprozess läuft.
Das KI-System startete nach jeder Materialgewinnung ein Analyseprogramm, das nach Möglichkeiten suchen sollte, den Vorgang der Materialgewinnung an sich und das Leistungsvermögen des Computers zu perfektionieren. Mit jedem Auftrag wurde das System also besser. Nach einigen Minuten erschien eine neue Meldung auf dem Bildschirm:
Optimierung beendet.
Systemauslastung: 35%.
Speicherauslastung: 15%.
”Oha!” staunte ich. Dieses Ergebnis sprengte all meine Erwartungen. Ein paar Prozentpunkte hätte ich ja verstanden, aber dieses Ergebnis war unglaublich.
”Was ist los?” fragte Nebe. ”Ist etwas nicht in Ordnung?”
”Doch, doch”, antwortete ich. ”Zu in Ordnung vielleicht. Der Optimierungsprozeß läuft besser, als ich erwartet hätte. Viel besser, um es auf den Punkt zu bringen.”
”Aber daran ist doch nichts auszusetzen, oder?”
”Nein, eigentlich nicht. Ich bin nur etwas überrascht. Aber warten wir ab. Was versuchen wir als nächstes?”
”Etwas biologisches. Tote Materie können wir ja ganz offensichtlich erzeugen. Versuchen wir es mal mit einem Einzeller.”
”Okay.” Ich tippte die entsprechende Anweisung in das System. Nach kurzer Zeit war das Ergebnis zu sehen. Aber ich traute meinen Augen kaum, als schon wieder eine Recheneinheit in dem Labor erschien. ”Scheiße”, sagte ich.
”Offensichtlich ein Softwarefehler”, meinte Nebe. ”Das System arbeitet, produziert aber immer dasselbe. Wie lange werden Sie dafür brauchen?”
Der Roboter hatte die neue Recheneinheit schon abgeholt, als ich antwortete.
”Wahrscheinlich nicht allzulange. Ich werde den Versuch noch mal wiederholen, dann haben wir wenigstens Gewißheit, daß es ein Fehler in der Software ist.”
”Gut. Machen sie es so.”
Nachdem die Optimierung abgeschlossen war, wiederholte ich meine Eingabe. Ich war in diesem Moment zu sehr damit beschäftigt, einen Fehler zu finden, als daß ich auf die Ausgabe des Systems achtgegeben hätte:
Optimierung beendet.
Systemauslastung: 10%.
Speicherauslastung: 10%.
Wieder erschien eine Recheneinheit in dem Labor und damit war klar, daß die Software irgendwo einen Haken hatte. Anstatt zu produzieren, was ihm eingegeben wurde, schien das System immer von einem akuten Speichermangel auszugehen und schuf dementsprechend immer nur neue Komponenten für sich selbst. Aber der eigentliche Kardinalfehler sollte sich in wenigen Augenblicken erst bemerkbar machen.
”Ein Fehler in der Software”, bestätigte ich Nebe. ”Aber ich glaube, daß er leicht ausmerzbar ist. Ich werde sofort mit der Korrektur beginnen.”
”Ich bitte darum”, erwiderte Nebe. ”Ich werde in der Zwischenzeit mal im Labor nach dem Rechten sehen.”
”Ist gut.”
Nachdem Nebe den Raum verlassen hatte, versuchte ich das Kommando zum stoppen des Systems einzugeben. Aber der Rechner reagierte nicht darauf. Egal, wie oft ich die Anweisung Quit System auch eingab, der Rechner reagierte einfach nicht darauf. Er gab auch kein Unbekannter Befehl oder etwas ähnliches aus. Die Anweisung wurde schlicht ignoriert.
Ich war ratlos.
Das System einfach auszuschalten war mir eigentlich zu heikel, da es zu einem enormen Datenverlust hätte führen können. Also versuchte ich, von dem laufenden System aus auf die Betriebssystemebene zu gelangen. Das war eher eine schlechte Lösung, da ich diese Möglichkeit nur in das System integriert hatte, um kleinere Wartungsarbeiten auszuführen, nicht aber, um die komplette Software zu debuggen und neu zu kompilieren. Aber es war von hier aus auch möglich, die Software manuell herunterzufahren. Das bedeutete zwar einen erheblich Mehraufwand an Arbeit, aber was blieb jetzt noch anderes übrig? Ich gab also die Anweisung für den System-Prompt ein und der Rechner quittierte es mit der Meldung System wurde gegen Zugriff optimiert. Anfrage wird zurückgewiesen.
”Verdammt”, flüsterte ich, war mir aber über die Bedeutung dieser Meldung noch nicht im Klaren. Ich tippte die Anweisung erneut ein und erhielt die gleiche Antwort, dieses Mal aber mit einer zeitlichen Verzögerung. Der Rechner schien also mit mehr beschäftigt zu sein, als mit den Standardprozessen. Das konnte eigentlich nicht sein, also forderte ich einen Statusbericht an.
Systemauslastung: 75%.
Speicherauslastung: 80%.
Tendenz: Steigend.
Check Basis-Subsysteme: Ok.
Check selbsterzeugte Subsysteme: Ok.
Subsystem-Optimierung: Ok.
Subsystem-Einzeller-Optimierung: Inkompatibel.
Lösung: Fusion Subsystem/Einzeller.
Modifikation Subsystem: Entfernen von Speicher.
Modifikation Subsystem: Neuronale Schnittstelle implementieren.
Modifikation Subsystem: Bioerhaltungssystem implementieren.
Modifikation Subsystem: Biowachstumsraum implementieren.
Modifikation Einzeller: DNA-Veränderung für neuronale Schnittstelle.
Modifikation Einzeller: DNA-Veränderung für Lebensraum/Subsystem.
Fusion Subsystem/Einzeller: Ok.
Neuer Name nach Datenbank-Recherche: Biosubsystem.
Initialisieren Biosubsystem: Ok.
Biosubsystem-Optimierung: Ok.
Biosubsystem-Einzeller-Optimierung: Ok.
Initialisieren Biosubsystem Level 2: Ok.
Biosubsystem Level 2-Optimierung: Ok.
Dialog Biosubsysteme/Subsysteme/Hauptsystem: Noch laufend.
Modifikation Hauptsystem: Noch laufend.
Modifikation Subsysteme: Noch laufend.
Modifikation Biosubsysteme: Noch laufend.
Ich pfiff auf. Daswar also passiert. Durch den Fehler in der Software hatte das System den Einzeller mit seiner eigenen Recheneinheit verschmolzen! Dadurch war etwas vollkommen neues entstanden, daß sich immer noch veränderte und fortlaufend nach mehr Speicherkapazität und Rechenleistung verlangte. Bald würde das System eine neue Recheneinheit produzieren, um ein Auslaufen der Kapazität zu verhindern. Die neue Recheneinheit würde dann schon die Modifikationen beinhalten, die das System gerade erarbeitete. Softwaregesteuerte Evolution. Ich war gespannt, was dabei herauskommen würde.
Ich griff nach dem Mikrofon, mit dem ich mit dem Labor in Verbindung treten konnte und rief Nebe zu mir. Er war noch mit dem Replikator beschäftigt und schien mich nicht zu hören. Daher versuchte ich es erneut. Gerade als ich sprechen wollte, setzte die Apparatur sich in Bewegung. Nebe schreckte auf und wich ein paar Schritte zurück. Es dauerte eine Sekunde, bis wir beide begriffen, was als nächstes geschehen würde. Nebe beeilte sich, zur Sicherheitsschleuse zu gelangen, doch sein Schutzanzug hinderte ihn daran, sich schnell zu bewegen. Ich schlug mit der Faust auf die Notabschaltung, doch die reagierte nicht. Sekunden später war Nebe verschwunden. Eine neue Recheneinheit hatte seinen Platz eingenommen. Schon rollte der Roboter in das Labor, um die neue Komponente mit dem Rechner zu verbinden.
Benommen ließ ich mich auf meinen Stuhl sinken. Nebe… tot… einfach so. Tot, weil die Notabschaltung versagt hatte. Tot, weil ich das System nicht stoppen konnte. Mehrere Minuten saß ich blind ins Leere starrend so da, bis mich das Geräusch der Apparatur in die Gegenwart zurückholte. Wieder eine neue Recheneinheit,dachte ich und machte mir erst gar nicht die Mühe, mich von der Richtigkeit dieser Annahme zu überzeugen. Lethargisch blieb ich einfach so da sitzen. Wieder setzte sich die Apparatur in Betrieb. Da öffnete sich hinter mir die Tür und ich hörte das Geräusch von Metall, das über den Boden geschliffen wurde. Langsam drehte ich mich um.
”Unser Experiment ist ein voller Erfolg, nicht wahr?” Nebes Kopf sagte diese Worte. Sein Kopf auf dem Rumpf eines biomechanischen Körpers. Ein Ding zwischen Gigers Alpträumen, Mensch und Maschine. ”Sie sollten teilhaben an unserer Errungenschaft”, sagte das Ding. ”Oder besser gesagt: Ein Teil unserer Errungenschaft werden, wie ihre Kollegen auch.”
Aus dem Labor hörte ich einen menschlichen Schrei. Ich warf einen Blick hinunter und erkannte den Biologen unseres Teams, der von einem zweiten biomechanischen Nebe hineingeschleppt wurde. Nachdem der Cyborg den Raum verlassen hatte, begann die Apparatur mit ihrer Arbeit.
”NEIN!” schrie ich, griff nach meinem Stuhl und schlug ihn dem Nebe-Ding ins Gesicht. Bevor dieses sich wieder aufrappeln konnte war ich aus dem Kontrollraum verschwunden und rannte durch die Gänge der Station. Ziellos lief ich umher, bis ich gezwungen wurde, stehenzubleiben. Am Ende des Korridors erschien ein Biomech, aber es war keines der Nebe-Dinger, sondern der transformierte Biologe.
”Es ist eine logische Evolution unserer Rasse”, sagte es. ”Warum wehren sie sich?” Es kam schnell näher, aber ich hatte Glück und konnte mich in einen Seitengang flüchten. Ich lief weiter, bog einige Male ab. Da fand ich ein Versteck, in das sie mir nicht folgen konnten: Die Belüftungsanlage. Ich kletterte in den Schacht und verschnaufte für einen Moment. Von überall her hörte ich ihre metallischen Schritte, manchmal überlagert von den Geräuschen des Replikators. Das ganze Personal wurde transformiert. Als der Replikator mehrere Minuten lang nicht mehr arbeitete wußte ich, daß ich das letzte menschliche Wesen auf der Station war.
Aber ich hatte noch eine Chance. Ich robbte durch das Labyrinth der Belüftungsschächte und versuchte einen Weg zu der Raumfähre zu finden. Immer wieder mußte ich stoppen, weil ich unter mir das metallische Schlurfen der Biomechs hörte. Sie suchten mich immer noch.
Nach einer endlos langen Zeit gelangte ich zu der Laderampe. Vorsichtig überzeugte ich mich davon, daß die Luft rein war. Dann ließ ich mich so leise wie möglich aus dem Schacht gleiten.
Der Biomech hatte sich geschickt versteckt, so daß ich ihn von oben aus nicht hatte sehen können. ”Absolut vorhersagbares Verhalten”, sagte er als er nach mir griff. ”Ihr Benehmen ist aus menschlicher Sicht verständlich, aber irrational. Sie sollten sich nicht länger wehren. Nach der Transformation werden Sie…”
Weiter kam er nicht. Es war mir gelungen, einen an der Wand hängenden Feuerlöscher zu ergreifen und ihn dem Ding ins Gesicht zu schlagen. Der kurze Zeitraum, in dem der Biomech taumelte, genügte mir, um mich loszureißen. Ich rannte in die Raumfähre und konnte die Schleusentür gerade noch rechtzeitig hinter mir schließen. Das letzte, das ich von dem Ding draußen hörte, war ein enttäuschter Schrei und seine metallische Faust, die gegen die Schleusentür schlug. Ich machte ich auf den Weg zur Brücke der Raumfähre, um den Start vorzubereiten.
Glücklich hörte ich die Triebwerke unter mir arbeiten. Es würde Wochen dauern, bis die Fähre ihren Bestimmungsort erreichte. Bis dahin konnte alles mögliche geschehen sein. Die Biomechs verfügten über die Intelligenz der Menschen, die sie einmal gewesen waren – und sie hatten die Kontrolle über den Replikator, der ihnen alles produzieren konnte, was sie wollten. Also auch ein Raumschiff und Waffen, wenn sie das Labor entsprechend vergrößerten. Sie konnten sich eine Heerschar an Robotern bauen lassen, die ihnen die Arbeit hierfür abnahmen. Aber das schlimmste war, daß ich niemanden warnen konnte. Bei der Raumfähre waren aus Sicherheitsgründen ebenfalls die Kommunikationssysteme entfernt worden. Die Biomechs hatten also genügend Zeit, zu planen und zu arbeiten.
Und sie würden diese Zeit nutzen, davon war ich überzeugt. Sie hatten weniger als eine Stunde gebraucht, um die gesamte Besatzung von Carnivore zu transformieren. Was würden sie in wenigen Wochen erreicht haben?
Vielleicht war es der Anfang vom Ende der menschlichen Zivilisation, den ich eben erlebt hatte?
Ich tat etwas, daß ich schon seit meiner Kindheit nicht mehr getan hatte.
Ich faltete meine Hände und betete zu Gott…